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© ATKearney / Curt Themessl

5 Trends in den nächsten 5 Jahren im Retail Banking

A.T.Kearney legte jüngst das zehnte Retail Banking Radar zu Europas Filialbanken vor: Trotz steigendem Geschäftsvolumen stagnieren die Erträge, die Filialnetze schrumpfen weiter. Neobanken als neue Konkurrenz für die Filialbanken - nach dem „Angriff“ der Online-Banken.

Seit 2008 erstellt Unternehmensberater A.T.Kearney das „Retail Banking Radar“ für 92 europäische Retailbanken (Privatkundenbanken) in 22 Märkten (50 in West‑, 42 in Osteuropa). Diese Institute, so Daniela Chikova, Beraterin bei A.T.Kearney in Wien, bedienen 635 Millionen Kunden, verfügen über mehr als 100.000 Filialen und decken „circa 50 bis 70 Prozent des Marktes“ ab. Wohlgemerkt: Die Studie widmet sich Privatkundenbanken, damit sind „typischerweise Privatkunden mit einem verwalteten Vermögen bis 1 Million Euro und Geschäftskunden mit einem Jahresumsatz bis zu 5 Millionen Euro gemeint“. Auf ForumF-Nachfrage räumt Chikova ein, dass das Großkundensegment und Investmentbanking hier keine Berücksichtigung findet – und somit Universalbanker die nachfolgenden Ergebnisse nur auf das beschriebene Privatkundensegment in ihrer Analyse beziehen sollten.

Die Studie wurde auf Basis der offiziellen Bankunterlagen der Jahre 2007 bis 2018 erstellt und es wurden Kriterien wie Ertrag pro Kunde und Mitarbeiter, Gewinn pro Kunde, Cost-Income-Ratio und Kreditrisikovorsorgequote untersucht.

Ertrag pro Kunde: 700 Euro

Im Zeitverlauf der Studie 2008 bis 2018 liegen die Gewinne (vor Steuern, Abschreibungen et cetera) der betrachteten Institute mit 33 Prozent „auf einem Allzeithoch“. Die Risikokosten sind mit einem Anteil von 5 Prozent „deutlich nach unten gegangen“ (2008: 12 Prozent). Allerdings sind die operativen Kosten mit 63 Prozent fast stabil geblieben (2008: 61 Prozent). Und dies bei deutlicher Steigerung des Geschäftsvolumens der Institute in den Jahren seit 2008 (Westeuropa +50 %, Mittel- und Osteuropa fast verdoppelt!) und trotz deutlicher Bemühungen, die Kosten zu senken.

Seit 2008 wurden europaweit 24,6 Prozent der Banken geschlossen; die Zahl der Bankangestellten verringerte sich um rund 12 Prozent beziehungsweise 1,3 Prozent pro Jahr, allein in Österreich schmilzt das Filialnetz jedes Jahr um 2 bis 3 Prozent, analysiert Chikova. Im (Europa-)Branchenschnitt konnte somit zwar von 2008 bis 2018 insgesamt das Volumen gesteigert werden, im gleichen Zeitraum ging aber „aufgrund der anhaltend niedrigen Zinsmarge der Ertrag pro Kunde dramatisch um 11 % zurück“, errechnet A.T. Kearney. Erzielte die Privatkundenbanken 2008 noch Einnahmen von 700 Euro pro Kunde, sind es 2018 nur mehr 623 Euro. „Bis 2020/21 sinken diese Einnahmen dann nochmals auf 595 Euro“, prognostiziert Chikova. Etwas stabiler sind die Erträge pro Mitarbeiter (anno 2018 knapp über 250.000 Euro) und der Gewinn pro Kunde (vor Steuern) mit knapp unter 210 Euro. Die Kosten-Ertrags-Relation liegt im Europa-Durchschnitt bei 61 Prozent. Es seien also, so die Analystin, „die Aufräumarbeiten nach der Krise noch immer nicht abgeschlossen.

„Europa Champion BAWAG“

Österreich sei – noch – eine „Bankeninsel der Seligen“, betont Chikova. Insgesamt verbuchten Österreichs Privatkundenbanken in den letzten vier Jahren sogar ein Ertragsplus pro Kunde von 7,2 Prozent, während Deutschland ein Minus von 1,3 Prozent und die Schweiz ein mageres Plus von 0,4 Prozent aufweisen. Als „echter Europa-Champion unter den Geldinstituten“ erweise sich, so Chikova, „einmal mehr die BAWAG als eines der 14 Institute, die ihre Kostenstruktur verbessern und gleichzeitig ihr Aufwands-Ertrags-Verhältnis (CIR) unter 55 % drücken konnte“. Kosten senken, Ertrag pro Kunden steigern und neue Vertriebskanäle öffnen seien die Grundlagen dieses Erfolgs, erläutert die Analystin. Bei dieser – im Wettbewerb zu Online Banken und den digitalen „Neo-Banken“ – notwendigen „strategischen Kostentransformation“ liegen Österreichs Privatkundenbanken mit einer Cost-Income-Ratio (CIR) von 65 Prozent an drittletzter Stelle im Europa-Vergleich. Die CIR-Werte von unter 50 Prozent beispielsweise in Skandinavien haben jedoch vor allem mit der „bargeldlos“-Affinität der jeweiligen Population und der somit beschleunigten Filialbereinigung zu tun.

Fünf Trends prägen die nächsten 5 Jahre

Was also sind die Gebote für Privatkundenbanken zwischen Kosten-Ertrags-Druck und Wettbewerb im Zeichen der Digitalisierung?

  • 2,3 Milliarden Euro Ertragsrückgang: Das klassische Privatkundengeschäft bricht ein. In den nächsten fünf Jahren wird in Europa der Umsatz um 2,3 Milliarden Euro schrumpfen.
  • Kostendruck und Fusionen: Ein Viertel der Banken hat mit hohen Kosten und niedrige Profitabilität zu kämpfen. Dieser anhaltende Kostendruck befeuert den Trend zu Fusionen und Übernahmen. Innerhalb der nächsten fünf Jahre wird jede zehnte Bank einen Verkauf oder einen Zusammenschluss mit Mitbewerbern in Betracht ziehen.
  • Mehr Digital, weniger Filialen: 2023 werden die nordischen Banken nur mehr über ein Drittel ihres ursprünglichen Filialnetzes verfügen. In Westeuropa wird ein Drittel der Filialen dauerhaft geschlossen sein. Künstliche Intelligenz, Big Data und neue Technologien werden das Kundenerlebnis über alle Kanäle hinweg beeinflussen.
  • Neue Wettbewerber am Start: 2023 werden 50 bis 85 Millionen Europäer Kunden von Neobanken sein. Das entspricht circa 20 Prozent der europäischen Bevölkerung über 14 Jahre.
  • Banking als Lifestyle-Plattform. Bis zu 50 Prozent der Europäer sind bereit, personenbezogene Daten im Tausch gegen Dienstleitungen weiterzugeben. Banken werden so zu Plattformen, die Finanzdienstleistungen mit anderen Aspekten des täglichen Lebens kombinieren und auf nationaler Ebene operieren.

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