Drei Megatrends werden die Versicherungen in den nächsten Jahren dominieren: Inflation, Klimawandel bzw. Umweltschutz sowie der Arbeitskräftemangel. Diese Top-Themen wurden im Rahmen von Interviews von Studienleiter und Telemark Marketing Geschäftsführer Robert Sobotka im Auftrag des FMVÖ von allen befragten VorständInnen österreichischer Versicherungsunternehmen unisono als die Herausforderungen der kommenden Jahre genannt. Weiterhin präsent bleiben die in der Covid-19-Pandemie entstandenen Themen Gesundheit und Digitalisierung.
Zweischneidiges Schwert Inflation
„Kurzfristig ist die Inflation in der Versicherungswirtschaft sogar positiv zu sehen. Da die meisten Verträge wertangepasst sind, nehmen die Versicherungen höhere Prämien ein. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass durch die Inflation auch größere Schäden bei den Reparaturen entstehen – beispielsweise im Haushalt oder bei KFZ“, erläutert Sobotka den ersten wichtigen Megatrend. Es sei fraglich, ob die höheren Einnahmen diese Mehrkosten kompensieren können. Die Inflation wirkt sich weniger auf das Bestandsgeschäft aus – abgesehen von Verträgen mit höheren Prämien wie Lebens- oder Erlebensversicherungen, bei denen KundInnen eher über eine etwaige Stornierung nachdenken würden. Bei den Neuabschlüssen sind KundInnen beim Abschluss von Vorsorgeprodukten wie Krankenversicherungen zögerlich, weniger betroffen sind die Haushalts- und KFZ-Versicherungen. Allerdings ist summa summarum ein Rückgang zu verzeichnen: „Die höhere Prämieneinhebung steht der Reduktion der Abschlüsse und dem Anstieg der Schadenssummen gegenüber“, summiert Sobotka die Auswirkungen der Inflation.
Klimawandel und seine Folgen
Kunden verbinden die Finanzbranche und auch die Versicherungen generell nicht mit dem Thema Klimawandel, da dies eher im Kontext mit Lebensmitteln, Autos und Energie wahrgenommen wird. „Der Klimawandel betrifft Versicherungen eher von der Schadensseite her. Gemäß dem Grundgedanken, dass die Gesamtheit das Risiko trägt, werden Risiken mit vermehrten Naturkatastrophen immer teurer bzw. gar unversicherbar“, betont der Studienleiter. Für Versicherungen sei die Risikodifferenzierung daher eine Gratwanderung. Beispielsweise würde es zu einer Marktverzerrung führen, wenn einzelne Anbieter damit beginnen würden, gewisse Risiken nicht mehr zu versichern, weil sie dadurch günstigere Prämien anbieten könnten. Aber auch aus Unternehmenssicht ist Nachhaltigkeit für alle Versicherungen wichtig. So gehen die Anlagestrategien vermehrt in die Richtung, gewisse Unternehmen mit schlechter Öko-Bilanz nicht mehr zu versichern – der Ukraine-Krieg hat diesen Trend aber wieder etwas gebremst. Zudem werden von den Versicherungskunden verstärkt nachhaltige Produkte angefragt, daher müssen diese auch angeboten werden. „Unterm Strich gibt es noch keine 100 prozentig nachhaltige Versicherung, die Unternehmen sind aber auf dem Weg dahin“, lautet das Resümee des Experten.
Versicherungen im „War for Talents“
Da selbst in der Pandemie keine verstärkte Nachfrage nach Online-Versicherungen verzeichnet werden konnte, setzen die Versicherungen für ihre beratungsintensiven Produkte weiterhin auf Außendienst-MitarbeiterInnen oder MaklerInnen. Allerdings sind die Institute mit großen Herausforderungen bei der Nachbesetzung von Pensionierungen und Abgängen konfrontiert, da der Job für junge Menschen nicht attraktiv genug erscheint – auch dadurch bedingt, dass es kein positives Branchenbranding des Versicherungsmitarbeiters gibt. „Die fehlenden Nachwuchstalente für Innendienst, Vertrieb und Makler betreffen alle Versicherungen. Noch wurden keine nachhaltigen Rezepte und Strategien gefunden, um hier gegenzusteuern. Umso vertriebslastiger ein Unternehmen ist, desto größer das Problem“, attestiert Robert Sobotka.
Aus der Covid-19-Pandemie nachwirkende Trends
Bereits bei der Vorgängerstudie „Wert der Veränderung 2021“ wurde die Digitalisierung als ein neuer Megatrend in der Finanzbranche identifiziert. „Bei Versicherungen hat die Pandemie zu einer stärkeren Digitalisierung geführt, beispielsweise durch Umstellung auf digitale Schadensmeldungen oder die digitale Unterschrift. Nicht davon betroffen ist allerdings der Online-Abschluss von Versicherungen, da die KonsumentInnen aufgrund der Beratungsintensivität der Produkte weiterhin das persönliche Gespräch vorziehen und selbst eine Video-Beratung von den KundInnen nicht gut angenommen wird“, erklärt der Studienleiter. Während der Pandemie haben das gute alte Telefon und die E‑Mail-Korrespondenz die persönliche Beratung temporär ersetzt. Da Österreich über ein sehr engmaschiges Netz an BeraterInnen und MaklerInnen verfügt, ist nach dem ‚Personal Distancing‘ der Prä-Pandemie-Zustand wieder zurückgekehrt und auch künftig keine Trendwende zu erwarten. Deshalb funktioniert der Versicherungsvertrieb im Großen und Ganzen wieder wie vor der Pandemie. Video-Meetings haben sich jedoch in der internen Kommunikation etabliert und werden auch weiterhin als Tool beibehalten.
„Alles in allem machen sich die Vorständinnen und Vorstände der größten Versicherungsgesellschaften um die Zukunft der Branche keine großen Sorgen. Außer es kommt zu einer veritablen Wirtschaftskrise, die auch die Versicherungsbranche natürlich mittelbar treffen würde. Im Grundtenor der Interviews ist ein im Vergleich zum Vorjahr leicht gedämpfter Optimismus zu erkennen“, so die Zusammenfassung von Robert Sobotka.