ForumF: Der Ruf nach mehr Finanzbildung wird immer intensiver. Passiert denn nicht schon genug?
Gerhard Weibold: Es gibt tatsächlich immer mehr Absichtserklärungen und Bildungsinitiativen, die das Thema der Finanzbildung in den Fokus rücken. Die meisten sind jedoch an ein sehr junges Publikum, das von wichtigen Finanzentscheidungen des Lebens noch weit entfernt ist, adressiert. Dieser Zielgruppe ist es geschuldet, dass die Inhalte zwar nett aufbereitet aber gleichzeitig kaum substanzhaltig sind. Da Kinder keine Automobile leasen, keinen Wohnraum finanzieren, keine Wertpapiere erwerben, keine Risiken versichern und keine Altersvorsorge betreiben, entsteht dadurch zumindest zunächst kein Schaden. Der öffentliche Applaus ist solchen Aktivitäten für Kinder und Jugendliche ziemlich sicher, denn mit Finanzbildung kann man bekanntlich gar nicht früh genug beginnen. Erwachsene VerbraucherInnen sehen das selbstverständlich anders, denn sie werden mit Finanzthemen, die ihren Lebenslauf begleiten und ihren Lebensstandard prägen, konfrontiert. Für sie gibt es kaum adäquate Bildungsangebote, sie müssen häufig das glauben, was ihnen andere erzählen. Das sind im Regelfall Anbieter von Finanzdienstleistungen, die von deren Verkauf oder deren Vermittlung leben. Mit der Unterzeichnung von meist umfangreichen Dokumenten, in denen man bestätigt, alles „gelesen, verstanden und akzeptiert“ zu haben, wird hinsichtlich der Verantwortung rechtliche Klarheit geschaffen. Nur in seltenen Fällen trifft man einander vor Gericht wieder.
ForumF: Sie gelten als Pionier der Finanzbildung und sind im Internet sehr präsent. Wie sehen Ihre Pläne aus?
Weibold: Dass wir mit finanzbildung.com, finanzbildung.eu, finanzbildung.de, finanzbildung.at und anderen über die wohl wichtigsten originären Domains verfügen, ist bestimmt ein Vorteil. Auch unsere europäische Unionsmarke „Finanzführerschein“ ist weithin bekannt. Zusammen mit einem Themenspektrum von rund 50 Finanzthemen sind wir bestens aufgestellt. Wir sind eben früh aufgestanden und haben die Wichtigkeit des Themas schon vor 20 Jahren erkannt. An unseren Zielen, wichtiges Finanzwissen zu Anlage‑, Finanzierungs- und Versicherungsthemen interaktiv und multimedial zu vermitteln, wird sich nichts ändern. Als Zielgruppen werden wir nach wie vor Erwachsene und Adoleszente ansprechen, um damit die Basis für ein selbstbestimmtes Finanzleben und für Gespräche auf Augenhöhe mit Banken, Versicherungen und Finanzberatern zu schaffen. Die Substanzhaltigkeit und Interessenunabhängigkeit unserer Bildungsangebote bleiben selbstverständlich unantastbar.
ForumF: Banken und Versicherungen haben das Thema auch für sich entdeckt. Wie sieht es mit Kooperationen aus?
Weibold: Wenn es um substanzhaltige Finanzbildung geht, sehen wir bei den Initiativen der Finanzwirtschaft sehr viel „Luft nach oben“. Wenn Banken und Versicherungen oder von ihnen finanzierte Institutionen Finanzbildung selbst betreiben und gleichzeitig Finanzdienstleistungen anbieten, kann jedoch leicht der Eindruck, dass der Hund auf die Wurst aufpasst, entstehen. Unser über Jahrzehnte aufgebauter Ruf einer neutralen und unabhängigen Instanz zur Finanzbildung ist uns wichtig. Anders formuliert, stehen wir einer Zusammenarbeit mit der Finanzwirtschaft aufgeschlossen gegenüber, biedern uns jedoch keinesfalls an. Um wichtiges Finanzwissen zu Anlage‑, Finanzierungs- und Versicherungsthemen großflächig zu verbreiten, muss man selbstverständlich mehrere Kanäle bedienen. Wir werden uns daher zukünftig verstärkt um sinnvolle Kooperationen bemühen: Das sind vor allem Interessenvertretungen und der Verbraucherschutz sowie Unternehmen, denen ein geordnetes und sorgenfreies Finanzleben ihrer MitarbeiterInnen ein Anliegen ist. Selbstverständlich zählen auch Banken und Versicherungen, die verstehen, dass mit oberflächlicher Finanzbildung von Kindern die weitaus größte Zielgruppe – nämlich die der Erwachsenen – nicht bedient wird, dazu. Auch Kooperationen mit Medien sind als Multiplikatoren anstrebenswert.
ForumF: Kürzlich fand im Burgenland eine Pressekonferenz statt. Was läuft dort eigentlich genau?
Weibold: Wir freuen uns sehr, dass wir mit unserem langjährigen Bildungspartner, dem BFI Burgenland, dieses landesweite Projekt machen können. Dass alle BurgenländerInnen kostenfrei teilnehmen und auch das Zertifikat „Finanzführerschein“ erwerben können, ermöglicht die AK Burgenland durch eine Förderung. Auch das Land Burgenland steht dem Projekt der digitalen Finanzbildung sehr positiv gegenüber. Mit „Burgenland macht sich finanzfit“ auf burgenland.finanzbildung.com starten wir zugleich vollkommen neu gestaltete Websites. Diese kommen der zunehmenden Beliebtheit mobiler Endgeräte sehr entgegen und ermöglichen „Financial Education to go“. Auch die Social-Media-Präsenz wurde ausgeweitet, um die Zubringerfunktion zu finanzbildung.com zu verstärken. Das war schon länger beabsichtigt und ist ein wichtiger Schritt für die weitere Verbreitung in Österreich und Deutschland.
ForumF: Und wie hat man sich den Ablauf dieser Initiative konkret vorzustellen?
Weibold: Es sind drei Schritte: Im ersten Schritt können sich die Burgenländerinnen ohne Registrierung mit einem Dutzend ausgewählter Anlage‑, Finanzierungs- und Versicherungsthemen befassen. Im zweiten Schritt können sie sich registrieren und haben dann zwei Dutzend an Themen zur Verfügung. Nach Beantwortung von Testfragen können sie eine Trainingsbestätigung anfordern. Im dritten Schritt ist es Interessierten möglich, das Zertifikat „Finanzführerschein“ im Rahmen einer beaufsichtigten Online-Prüfung zu erhalten. Wie schon eingangs gesagt, sind alle drei Schritte für Burgenländerinnen infolge einer Förderung der AK Burgenland vollkommen kostenfrei.
ForumF: Wie sehen Sie die kürzlich angekündigte „Nationale Finanzbildungsstrategie“ für Österreich?
Weibold: Dass damit das Thema allgemein befeuert wird, ist begrüßenswert. Ob damit etwas konkret bewirkt wird, ist fraglich. Bereits 2008 formierte sich die „Expert Group on Financial Education“ und seither haben fast alle Finanzminister dieses Thema angesprochen. In einigen Fällen fand das Thema sogar im Regierungsprogramm schriftlichen Niederschlag. Die Ergebnisse waren bislang wahrhaft dürftig. Diese Aktivitäten erinnern eher an nicht verschreibungspflichtige Beruhigungspillen, dass ohnehin etwas getan wird oder zumindest getan werden soll. Wir halten uns davon eher fern, denn Strategiepapiere, Absichtserklärungen und Sonntagsreden sind wenig hilfreich. Es geht vielmehr um die konkrete Umsetzung. Die vorher angesprochene Initiative für das Burgenland ist ein hervorragendes Beispiel, wie es konkret funktionieren kann, wichtiges Finanzwissen an die Bevölkerung heranzubringen. Kurz und klar formuliert: Digitale Finanzbildung ist angesagt. Wir reden nicht darüber, wir machen es einfach.