Vor 50 Jahren begann mit der konstituierenden Sitzung des „Ausschusses für die Mitwirkung an der Verwaltung der Staatsschuld“ die Ära eines traditionsreichen Gremiums zur fiskalpolitischen Analyse und Politikberatung in Österreich – des heutigen Fiskalrates (FISK). „Wenn auch das Jahr 2020 durch die Covid-19-Pandemie und ihre sozialen, wirtschaftlichen und fiskalischen Folgen für Österreich wenig Grund zum Feiern bietet, freut es mich dennoch, unsere zuletzt veröffentlichte Ausgabe des Jahresberichts, der erstmals vor 50 Jahren publiziert wurde, für einen kurzen Rückblick auf die Geschichte des Fiskalrates zum Anlass zu nehmen.“, so Martin Kocher, Präsident des Fiskalrates zum Wandel des Fiskalrates über die letzten fünf Jahrzehnte.
Vom Bericht der Postsparkasse 1970 zum FISK-Jahresbericht 2020
Mit der konstituierenden Sitzung des „Ausschusses für die Mitwirkung an der Verwaltung der Staatsschuld (Staatsschuldenausschuss)“ Anfang 1970 begann die Ära des heutigen Fiskalrates. Während der damalige Ausschuss durch ein kleines Team in der Österreichischen Postsparkasse betreut wurde und seine Tätigkeit auf Analysen und Empfehlungen zum Management der Finanzschulden des Bundes ausgerichtet war (Postsparkassengesetz 1969), reicht das Aufgabenspektrum des Fiskalrates, der seit 1997 bei der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) angesiedelt ist, von der Plausibilisierung der gesamtstaatlichen Finanzpläne durch eigene Fiskalprognosen bis zur Überwachung der Einhaltung verbindlicher Fiskalregeln (Gesetz zur Errichtung des Fiskalrates 2013). Dieser Wandel spiegelt die Weiterentwicklung des fiskalpolitischen Rahmens der EU seit Inkrafttreten des Stabilitäts- und Wachstumspaktes im Jahr 1997 wider, um die Fiskalpolitiken der Mitgliedstaaten besser zu koordinieren und Fiskaldisziplin mithilfe unabhängiger nationaler Einrichtungen („Independent Fiscal Institutions – IFIs“) zu überwachen. Neben dem Hauptziel, die Defizitneigung von Regierungen (Tendenz, mehr auszugeben als eingenommen wird) und die Pro-Zyklizität der Fiskalpolitik (Tendenz, Ausgaben in wirtschaftlichen Boomphasen zu erhöhen, anstatt die Mehreinnahmen für Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs zu haben) zu vermeiden, tragen IFIs als aktive Beratungs- und Forschungseinrichtungen auch wesentlich zur Transparenz und öffentlichen Meinungsbildung bei. Dieser Veränderungsprozess über die vielen Jahre zeigt sich auch im Umfang und in den inhaltlichen Schwerpunkten des Jahresberichtes: So standen zu Beginn deskriptive Datenanalysen und Empfehlungen zum Schuldenmanagement des Bundes im Vordergrund, während heutzutage eigene Fiskalprognosen, Studien- und Analyseergebnisse (z.B. Costing von wirtschaftspolitischen Maßnahmen) − auf dem letzten Stand wirtschaftswissenschaftlicher Methoden − die Grundlage für die Empfehlungen des Fiskalrates und seine Beiträge zum wirtschaftspolitischen Diskurs bilden.
Budget- und Verschuldungspfad 1970 bis 2020
Die Entwicklung zentraler fiskalischer Indikatoren (gesamtstaatlicher Finanzierungssaldo, Staatsverschuldung) im Wirkungszeitraum des Fiskalrates bzw. des Staatsschuldenausschusses zeigt unterschiedliche Phänomene: Nach einer Phase des kontinuierlichen Schuldenaufbaus im Sog der Ölkrise der 1970er-Jahre, stellte sich mit dem EU-Beitritt Österreich im Jahr 1995 eine Stabilisierung der Schuldenquote – nicht zuletzt aufgrund der damit einhergehenden Verpflichtung zur regelgebundenen Budgetpolitik – ein. Auch die beiden jüngsten Krisen im Jahr 2009, die umfassende Finanz‑, Wirtschafts- und Schuldenkrise, sowie gegenwärtig die Covid-19-Pandemie prägen die Entwicklung dieser Kenngrößen durch die Effekte der automatischen Stabilisatoren sowie der staatlichen Intervention. So sprach Prof. Kocher, Präsident des Fiskalrates, bei der diesjährigen Präsentation des Jahresberichts auch vom Jahr 2020 in mehrfacher Hinsicht als einem „annus horribilis“. Beim langjährigen Vergleich von Budgetsalden und Schuldenständen darf allerdings nicht vergessen werden, dass durch Ausgliederungen aus den Haushalten über die 50 Jahre unterschiedliche Rahmenbedingungen herrschten.
Prominente Besetzungen im FISK-Vorsitz
Der Fiskalrat bzw. Staatsschuldenausschuss wurde stets von renommierten Professoren der Makroökonomik und Finanzwissenschaft geleitet. Der Fiskalrat ist ein unabhängiges Gremium, das sich aus 15 weisungsfreien Mitgliedern, allesamt Experten aus dem Bereich des Finanz- und Budgetwesens, zusammensetzt. Zudem nehmen auch die OeNB und der Budgetdienst des Parlaments mit beratender Stimme sowie weitere Experten an den Sitzungen teil. Die Mitglieder des Fiskalrates werden von der Bundesregierung, der Wirtschaftskammer Österreich, der Bundesarbeitskammer, dem Österreichischen Gemeindebund, dem Österreichischen Städtebund und der Landeshauptleutekonferenz für die Dauer von sechs Jahren entsandt.