Im Sommer 2020 durfte man noch gespannt sein, was da unter dem klingenden Namen Kaufhaus Österreich auf die Alpenrepublik zukommen würde. Das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hatte sich mit der Wirtschaftskammer Österreich und dem Bundesrechenzentrum zusammengetan, um Amazon, Alibaba, Zalando und Co. zu zeigen, wo der Bartl den Most holt. Als das virtuelle Kaufhaus Österreich dann Ende November 2020 – rund um den Black Friday – seine virtuellen Pforten öffnete, traute Österreich seinen Augen nicht: Das Portal, das eigentlich als Antwort auf die E‑Commerce-Giganten aus fernen Ländern konzipiert war, präsentierte sich als eine einzige Themenverfehlung. Schnell wurde klar, dass man die eigentliche Zielsetzung, die E‑Commerce-Wertschöpfung im eigenen Land zu behalten, nicht einmal im Ansatz erreichen würde. Sinnlose Ergebnisse für Suchanfragen, eine haarsträubende User-Experience, kuriose Links zu Amazon – es regnete Spott und Häme von Freund und Feind. Das Kaufhaus Österreich war vom ersten Tag an ein Fiasko. Nur ahnten das Ministerin Margarete Schramböck und WKO-Präsident Harald Mahrer noch nicht, als sie die frohe Botschaft von der Eröffnung des Kaufhaus Österreich öffentlichkeitswirksam hinausposaunten und artig in die Kamera lächelten. Und da stellt sich natürlich auch die Frage: Hatten sich die beiden den virtuellen Laden vorab nicht wenigstens einmal angeschaut?
Nur zum Einordnen haben wir hier noch ein paar Zahlen, Daten und Fakten für Sie parat: Das Kaufhaus Österreich kostete bis dato schlappe 1,26 Millionen Euro. Die Technikkosten bis zum Start betrugen 603.670,32 Euro. Seit dem Start fielen 192.286,44 Euro an, für den laufenden technischen Betrieb waren monatlich 2.642,50 Euro und für die Wartung 2.566 Euro zu berappen. Für E‑Commerce-Aktivitäten – also Umfragen, Webinare, Videoclips und Markenrechte – wurden 243.141,80 Euro ausgegeben. Für Werbemaßnahmen in TV, Online- und Printmedien sowie in den Social Media flossen 220.940,18 Euro. Und bei der WKO fielen auch noch einmal 36.000 Euro an. Wer der oder die Nutznießer dieses Geldregens sind und warum das Füllhorn gerade über ihnen ausgeschüttet wurde, wird sicher noch öfters gefragt werden – ist aber nicht der eigentliche Gegenstand dieses Kommentars. Denn hier und heute geht es eigentlich um den zweiten Kompetenzbereich des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort: erraten, den Wirtschaftsstandort. Selbiger wurde durch das Kaufhaus Österreich und all die Nebengeräusche, die in den bisher rund 75 Tagen seit seinem furiosen Opening ertönt sind, massiv geschädigt. Denn nicht nur hierzulande wurde über das Kaufhaus Österreich massiv gelästert, auch unsere deutschen Nachbarn lassen an dem Projekt kein gutes Haar.
Und was macht die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort angesichts des Bärendienstes, dem sie im Verein mit WKO und Bundesrechenzentrum sowohl der Digitalisierung in diesem Land, als auch dem Wirtschaftsstandort Österreich erwiesen hat? Sie tritt die Flucht nach vorne an und fügt der Groteske rund um das Kaufhaus Österreich ein weiteres Kapitel hinzu. Das Chaos-Portal wird nämlich trotz aller Kritik weiterbestehen, allerdings nicht als virtueller Marktplatz, sondern als Ort der Weiterbildung, wo Unternehmen in Webinaren und Tutorials erfahren, wie sie einen Onlineshop hochziehen können. Und wenn Ihnen jetzt die Spucke wegbleibt, dann sei noch hinzugefügt, dass Ministerin Schramböck selbst im grandiosen Scheitern noch einen Vorteil sieht: „Wichtig ist gewesen, die Diskussion über die Notwendigkeit von E‑Commerce für Händler in Gang zu setzen.” Aha. Wie sagte einst Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Zusammenhang mit dem österreichischen Umgang mit Menschen in Not und auf der Flucht so schön? „So sind wir nicht.“ Genau, liebe Welt, auch in Sachen Digitalisierung und Wirtschaftsstandort gilt: „So sind wir nicht.“