Seit zehn Jahren erstellt die Abteilung für Asset Management der Johannes Kepler Universität Linz unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Teodoro Cocca im Auftrag der LGT zweijährlich eine umfassende Studie zum Anlageverhalten von Private-Banking-Kunden in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Der LGT Private Banking Report verfügt daher über langjährige Daten zum Anlegerverhalten in der DACH-Region und zeigt auf, wie äußere Ereignisse und persönliche Einstellungen das Verhalten von vermögenden Anlegern beeinflussen. Der Fokus der Studie lag heuer auf dem Anlageverhalten seit der Finanzkrise 2008 sowie aktuell während der Corona-Krise. Dazu wurden vermögende Anleger im Januar/Februar 2020 befragt.
Krisen beeinflussen Anlagenmix nur kurzfristig
80 Prozent der Befragten in Österreich, Deutschland und der Schweiz haben die Finanzkrise 2008 als Anleger miterlebt und rund die Hälfte von ihnen hat sie als einschneidendes Ereignis empfunden. Im Langzeitvergleich zeigt der LGT Private Banking Report, dass Krisen zwar durchaus Ängste wecken, der Anlagenmix aber meist nur kurzfristig durch die Erhöhung der Cash- oder Goldquoten beeinflusst wird. Effektive Verhaltensänderungen ergeben sich höchstens bei einer Minderheit. Die „Suche” nach Rendite bleibt für viele der stärkste Treiber ihres Anlageverhaltens.
Dass die Finanzkrise 2008 zu einer kritischeren Haltung gegenüber Banken und Kundenberatern führte, gaben 65 Prozent der Befragten, welche die Krise als Anleger erlebt haben, an. Der aktuelle Report zeigt, dass das Vertrauen in und die Zufriedenheit mit den Banken in den Folgejahren zurückgekehrt ist. In der Corona-Krise wurden diese aber erneut auf die Probe gestellt – und auch dieses Mal scheinen Banken und Berater den Krisentest nur teilweise bestanden zu haben. Dies gilt insbesondere für die sogenannten „Soloisten” unter den Kunden: Bei 60 Prozent jener Private-Banking-Kunden, die ihre Anlageentscheidungen selbstständig treffen, hat sich die Zufriedenheit mit der Bank und dem Berater von Januar bis April 2020 signifikant verschlechtert. Bemerkenswert ist auch, dass sich der Anteil dieser Soloisten seit 2010 von 37 Prozent auf 41Prozent erhöht hat. „Die aus der Krisenerfahrung resultierende kritischere Haltung hat dazu geführt, dass sich dieser Teil der Anleger komplett von den Banken abgewendet hat und Anlageentscheidungen heute autonom trifft. Dieser Trend scheint irreversibel”, so Studienleiter Univ.-Prof. Dr. Teodoro D. Cocca der Johannes Kepler Universität in Linz.
Anlageentscheidungen werden heute rationaler getroffen
63 Prozent der Befragten, die die Finanzkrise als Anleger miterlebt haben, sagen, dass sie seither Anlagen meiden würden, die sie nicht verstehen. Zudem würden sie ihre Anlageentscheidungen vermehrt auf Grundlage von Fakten treffen (60 Prozent), seien vorsichtiger geworden (60 Prozent) und hätten ihr Portfolio konservativer ausgerichtet, um weniger Risiken einzugehen (52 Prozent). Es scheint also, dass vermögende Private-Banking-Kunden Anlageentscheidungen heute tendenziell eher rationaler treffen als noch vor zehn Jahren. Auch die Corona-Krise stützt diese These. Die befragten Anleger in der Schweiz haben die Nerven behalten: Panikkäufe waren selten. Nur die Hälfte hat zwischen Mitte Februar und Ende April 2020 Veränderungen im eigenen Anlageportfolio vorgenommen und dabei mehrheitlich günstige Kurse für Aktienkäufe genutzt.
Krisen und andere Negativereignisse führen auch immer zu einer kurzzeitigen Flucht in Cash oder Gold. So hat der Cash-Anteil in den Portfolios in den vergangenen zehn Jahren zwischen 28 Prozent und 34 Prozent je nach Börsenlage fluktuiert und eine gegenläufige Entwicklung zum Aktienanteil gezeigt. Nach der Finanzkrise wurde die Aktienquote wieder langsam ausgeweitet (Risiko wurde erhöht), während aufgrund der Schuldenkrise in der Eurozone und der Freigabe des Schweizer Franken-Euro-Kurses 2015 der Aktienanteil verkleinert und das Risiko gesenkt wurden. Die Abkehr von risikoreichen Anlagen ist jeweils nur von kurzer Dauer. Die Befragten sind sich zwar der Risiken von Aktien bewusst und halten diese im Vergleich zu anderen Anlageklassen für höher, 41 Prozent der Österreichischen Befragten sahen aber Anfang 2020 keine andere Anlageklasse, die im aktuellen Tiefzinsumfeld interessante Renditen versprechen würde. 2020 haben deutsche Befragte durchschnittlich zwölf Prozent und die Schweizer und Österreicher je vier Prozent ihres Vermögens in alternative Anlagen investiert, obwohl im spezifischen Fall von Private Equity 40 Prozent angeben, dass sich diese Anlageklasse unabhängig von Aktienmärkten und anderen Anlagekategorien entwickle – und somit eine Portfoliobeimischung sinnvoll sein könnte.
All diese Effekte – die kritischere Haltung gegenüber den Beratungsbemühungen der Banken, der Verzicht auf Anlagen, die man nicht versteht, und die Skepsis gegenüber alternativen Anlagen – haben dazu geführt, dass sich an der Portfolio-Struktur der Anleger in den letzten zehn Jahren nur wenig geändert hat. Die Aktienquote und der Cash-Anteil erhöhten sich von 2010 bis 2020 nur leicht (von 34 Prozent auf 36 Prozent bzw. von 28 Prozent auf 29 Prozent). Lediglich der Anteil von Anleihen hat kontinuierlich und bis 2020 signifikant abgenommen (von 14 Prozent auf sechs Prozent). „Private-Banking-Kunden erlebten in den letzten zwölf Jahren mit der Finanzkrise 2008, der Schuldenkrise in der Eurozone, Ereignissen wie Fukushima oder dem Brexit sowie schwelenden Handelskonflikten turbulente Zeiten. Diese Turbulenzen scheinen, wenn, dann eher eine kurzfristige Wirkung auf die Anlage- und Entscheidungsmuster zu haben. Längerfristig ist es erstaunlich, wie gering ihr Einfluss bleibt”, sagt Univ.-Prof. Dr. Teodoro D. Cocca. Dies bestätigt auch Meinhard Platzer, Co-CEO der LGT Bank Österreich: „Für den Anlageerfolg ist das Zusammenspiel der strategischen, langfristigen und der taktischen, kurzfristigen Vermögensallokation entscheidend. So können Anleger auch sicher durch turbulente Zeiten wie die Corona-Krise navigieren und kurzzeitig Chancen nutzen.”
Persönliche Beratung bleibt die Kerndienstleistung für vermögende Anleger
Auch wenn einzelne Anleger aufgrund von Krisenerfahrungen vermehrt auf die eigenen Fähigkeiten gesetzt haben, bleibt für die grosse Mehrheit der Kunden die persönliche Beratung sehr wichtig. Dabei wird sogar eine höhere Kontaktintensität gewünscht, speziell im Rahmen von persönlichen Gesprächen und Events. Der Digitalisierungstrend ist vor allem in den letzten zwei Jahren abgeflacht. Online-Angebote, vor allem für die Auftragserteilung und das Monitoring der Portfolios, haben zwar mittlerweile in allen Altersklassen eine konstante hohe, teils aber sogar leicht rückläufige Bedeutung (2020: 75 Prozent vs. 2018: 79 Prozent). 59 Prozent der Anleger betonen weiterhin, dass ihnen die Auftragsübermittlung im persönlichen Kontakt mit dem eigenen Kundenberater wichtig ist. Nur noch rund ein Fünftel der Befragten überlegt, ob ein Kundenberater überhaupt noch benötigt wird. Was die Beratung anbelangt, wird der Mensch klar der Maschine vorgezogen. Tendenziell hat in den vergangenen zehn Jahren auch die Wechselbereitschaft der Private-Banking-Kunden abgenommen und die Bindung der Kunden an die Banken zu Lasten der Rolle des Kundenberaters zugenommen. Haben 2010 kurz nach der Finanzkrise 26 Prozent der Befragten daran gedacht, die Bank zu wechseln, sind es 2020 nur noch 12 Prozent. Anfang 2020 sind acht Prozent der Befragten mit ihrem Kundenberater zufrieden, aber nicht mit der Bank. In vielen Bereichen ist es den Banken also gelungen, die Kundenbeziehungen zu stärken. Zudem ist es aufgrund der zunehmend komplexeren Bankbeziehungen für Kundenberater schwieriger geworden, bei einem Institutswechsel Kunden mitzunehmen.