Der kontinuierliche Anstieg neuer Fälle von Covid-19 seit Mitte des Sommers führte in den meisten Staaten Europas und damit auch in Österreich zu einem erneuten Lockdown und dementsprechend zu einer Reduktion des wirtschaftlichen Aktivitätsniveaus. Die Ökonomen der UniCredit Bank Austria erwarten, dass der Lockdown mehr oder weniger in den meisten Ländern Europas bis zum Beginn des Frühjahres anhalten wird. Trotz einiger Lockerungsmaßnahmen wird die sich abschwächende Industriekonjunktur im ersten Quartal 2021 erneut zu einem leichten BIP-Rückgang führen. Für die weitere Erholung in den kommenden zwei Jahren ist für die Ökonomen der UniCredit Bank Austria entscheidend, wie sich die Konsumenten in Bezug auf das hohe Sparvolumens verhalten werden. Die Sparquote dürfte 2020 in Österreich rund 14 Prozent erreichen und im nächsten Jahr mit 11 Prozent noch immer über dem Vorkrisenniveau von rund 8 Prozent bleiben und damit die Konjunkturerholung bremsen. Auch bei den Investitionen der Unternehmen ist nach dem Einbruch um über 6 Prozent 2020 noch bis 2023 nicht damit zu rechnen, dass der Vorkrisentrend erreicht werden kann, was dementsprechend das Wachstumspotential in Österreich dämpfen wird. Obwohl die Ökonomen davon ausgehen, dass mittelfristig die Trends wieder in den Vordergrund rücken, die bereits vor der Pandemie bestimmend waren – wie Digitalisierung, nachhaltiges Wirtschaften und globale Handelskonflikte – wird die Region Asien gegenüber dem Rest der Welt sowie Güterproduzenten gegenüber Dienstleistungsanbietern in den nächsten zwei Jahren im Vorteil sein. Österreichs Wirtschaft erreicht mit rund 3,5 Prozent ihrer Nachfrage aus Asien in etwa Euroraum-Durchschnitt, während Deutschland mit einem Anteil von 5 Prozent etwas günstiger abschneidet. Hinsichtlich der von der Pandemie kurzfristig negativ betroffen Branchen liegt Österreich jedenfalls im internationalen Vergleich aufgrund des hohen Anteils des Tourismus ungünstiger. „Mit dem hohen Tourismusanteil an der österreichischen Wirtschaftsleistung dürfte Österreich in den kommenden Jahren ungünstigere Wachstumsvoraussetzungen als etwa Deutschland, Frankreich oder die Schweiz haben“, meint Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt der UniCredit Bank Austria. Um so wichtiger ist es für Österreichs Wirtschaft, dass die Politik mit einer das Wachstum stützenden Politik zusätzliche Impulse setzt.
Rebound ab Mitte 2021
Der Lebensmittelhandel sowie der Versand- und Internethandel werden deutliche Umsatzzuwächse im längerfristigen Vergleich erzielen. Moderate Einbußen im längerfristigen Vergleich werden neben den sogenannten systemerhaltenden Bereichen, wie die öffentliche Verwaltung und die Gesundheitsdienste einige wenige Dienstleistungssparten, wie die Paketdienste und die Anbieter von Informations- und Kommunikationsdiensten, sowie einige Industriebranchen, wie die Pharmaindustrie, die Möbel- und Sportartikelhersteller und die Lebensmittelerzeuger verzeichnen. Als relativ krisenfest wird sich auch die Bauwirtschaft erweisen, die das Krisenjahr 2020 dank guter Auftragslage mit einem geringen Wertschöpfungsminus von 2 Prozent abschließen dürfte, deren Erholungstempo in den kommenden Jahren aber mehr denn je von öffentlichen Bauinvestitionen abhängen wird. Mit den höchsten Umsatzeinbußen sind die tourismusabhängigen Sparten, das Beherbergungs- und Gaststättenwesen, die Reisebüros, Kulturveranstalter, einzelne Verkehrsdienstleister aber auch der Lebensmittelgroßhandel konfrontiert, die auch noch einer schwierigen ersten Jahreshälfte 2021 entgegensehen.
Industrieerholung hält im 2. Lockdown vorerst noch an
Die Industrie hat ihre Abläufe an die neuen Rahmenbedingungen wie das Social Distancing gut angepasst und wird die Corona-Krise 2020 besser bewältigen als die Finanzkrise 2009. Die mit Beginn des dritten Quartals 2020 eingesetzte Erholung der Industriekonjunktur in Österreich hält auch während des zweiten Lockdowns an. „Im November ist der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex zwar leicht auf 51,7 Punkte gesunken. Nach dem Einbruch während des ersten Lockdowns liegt die heimische Industrie aber weiterhin auf Expansionskurs, mittlerweile den fünften Monat in Folge“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl. Mit Rückenwind aus dem Ausland hat sich der Aufschwung der heimischen Industrie nach einem eher ruhigen Start im Herbst konsolidiert. Im November haben die heimischen Industriebetriebe, gestützt auf einen Anstieg des Neugeschäfts, die Produktion erneut ausgeweitet und der Beschäftigungsabbau verlor zumindest an Tempo. Zudem weisen steigende Auftragsrückstände, längere Lieferzeiten und höhere Preise auf eine positive Entwicklung hin.
Nur langsame Entspannung am Arbeitsmarkt in Sicht
Die unterschiedliche Sektorentwicklung widerspiegelt sich auch am österreichischen Arbeitsmarkt. „Aufgrund des zweiten Lockdowns wird sich der Verbesserungstrend am Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten nicht mehr fortsetzten. Erst ab der zweiten Jahreshälfte 2021 erwarten wir wieder einen Rückgang der Arbeitslosenquote in Österreich. Nach dem Anstieg auf durchschnittlich 10 Prozent im Jahr 2020 wird die Arbeitslosenquote 2021 auf 9,6 Prozent sinken und erst 2022 etwas stärker abnehmen, mit 8,7 Prozent jedoch weiter klar über dem Vorkrisenniveau liegen“, meint Pudschedl. Trotz der Corona-Krise wird die Inflation in Österreich im Jahresdurchschnitt 2020 mit 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr voraussichtlich nicht sinken. Der Inflationsaufschlag gegenüber dem Euroraum und unserem wichtigsten Handelspartner Deutschland hat sich insbesondere ab Mitte des Jahres deutlich erhöht. Dies ist unter anderem auf stärkere Preisanstiege in den Sparten Beherbergung und Gastronomie zurückzuführen. Zudem wurde die temporäre Herabsetzung der Mehrwertsteuer für Gastronomie‑, Beherbergung- und Kulturdienstleistungen, anders als etwa in Deutschland die Herabsetzung der allgemeinen Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent, offenbar kaum an die Konsumenten weitergegeben. Wäre in Österreich eine gleich starke Preisreaktion auf die Mehrwertsteuersenkung wie in Deutschland erfolgt, hätte die Inflation von Juli bis Oktober in Österreich nicht durchschnittlich 1,4 Prozent betragen, sondern nur rund 0,6 Prozent. Trotz der Erholung wird der Inflationsdruck vorerst überschaubar bleiben, zudem 2021 der Ölpreis die Teuerung in Österreich entlasten dürfte.
„Ein überraschend schnellerer Fortschritt der medizinischen Entwicklung könnte dazu führen, dass Österreich bereits nächsten Sommer das wirtschaftliche Niveau von 2019 erreicht. Die heimische Wirtschaft könnte dann sogar Ende 2022 bereits auf den alten Wachstumspfad zurückkommen“, meint Bruckbauer abschließend.