Die mit Beginn des Kriegs in der Ukraine eingesetzte Verschlechterung der Konjunkturstimmung in Österreich hat nun knapp vor dem Jahresende gestoppt. „Der UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator erreichte mit minus 2,9 Punkten im November den gleichen Wert wie im Vormonat. Das Tempo des Abschwungs der österreichischen Wirtschaft hat sich nicht mehr weiter erhöht. Der Indikator lässt jedoch für das letzte Quartal des Jahres 2022 einen leichten Rückgang des BIP erwarten. Mit 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal fiel das Wirtschaftswachstum im dritten Quartal bereits gering aus.“, meint UniCredit Bank Austria Chefökonom Stefan Bruckbauer.
Damit dürfte die österreichische Wirtschaft mittlerweile in eine leichte Rezession eingetreten sein. „Das globale Umfeld hat sich deutlich abgeschwächt und verursacht Bremsspuren in der heimischen Industrie. Mit etwas Verzögerung dürfte auch die Bauwirtschaft und der Dienstleistungssektor vom Wachstumskurs abkommen und der Industrie in eine Rezession folgen“, so Bruckbauer und ergänzt: „Wir gehen davon aus, dass nur über den Winter mit einer geringfügig rückläufigen Wirtschaftsentwicklung gerechnet werden muss und die jüngsten Daten erhöhen sogar die Hoffnung, dass Österreich einer Rezession knapp entgehen könnte.“
Schwäche in der Industrie, Dienstleistungen halten dagegen
Der unterschiedliche Entwicklungstrend in den einzelnen Wirtschaftssektoren setzte sich im November fort. Das globale Exportumfeld verschlechterte sich. Während aus dem asiatischen Raum Anzeichen einer Verbesserung erkennbar waren, belastete die anhaltende Stimmungseintrübung in der Industrie in Osteuropa und in einigen westeuropäischen Ländern die Konjunkturerwartungen der heimischen Industrie. Nach starken Auftragseinbrüchen und aufgrund zunehmender Sorgen über die hohen Energie- und steigende Lohnkosten verschlechterte sich die Industriestimmung in Österreich erneut und liegt mittlerweile deutlich im pessimistischen Bereich. Dagegen ist die Stimmung am Bau trotz leichter Eintrübung angesichts voller Auftragsbücher weiterhin gut.
„Der UniCredit Bank Austria Konjunkturindikator hat sich im November zwar stabilisiert, liegt aber so tief wie zuletzt vor mehr als zwei Jahren. Die erneute Verschlechterung der Industriestimmung als Folge des ungünstigen globalen Umfelds wurde zwar durch die einsetzende Konjunkturabkühlung am Bau verstärkt, doch die leichte Entspannung der Lage im Dienstleistungssektor kompensierte die Eintrübung in den Produktionssektoren“, meint UniCredit Bank Austria Ökonom Walter Pudschedl und ergänzt: „Erstmals seit 2005 ist in allen Wirtschaftssektoren Österreichs die Konjunktureinschätzung allerdings schlechter als im Euroraumdurchschnitt. Insbesondere bei den Verbraucher:innen scheint die Stimmung in Österreich dabei deutlich schlechter als die tatsächliche Lage zu sein.“
Schwacher Start ins Jahr 2023
Die globale Wirtschaftsabschwächung und die hohe Inflation werden zu Jahresbeginn 2023 die Entwicklung zwar weiter negativ beeinflussen, doch die konjunkturellen Folgen für die österreichische Wirtschaft sollten überschaubar bleiben. Durch die staatlichen Maßnahmen zur Inflationseindämmung,wie der Strompreisbremse, der Valorisierung von Sozialleistungen sowie Änderungen in der Lohn- und Einkommensbesteuerung wird sich der Kaufkraftverlust der heimischen Konsument:innen in Grenzen halten. Einige Dienstleistungsbranchen, wie unter anderem der Tourismus, könnten weiter von pandemiebedingten Nachholeffekten profitieren. Die Aussichten für die Industrie sind infolge der hohen Energiekosten allerdings deutlich ungünstiger. In dem schwierigen globalen Umfeld wird die Investitionsbereitschaft sehr verhalten ausfallen. Der Einbruch der Investitionen wird daher in den ersten Monaten des Jahres 2023 die österreichische Wirtschaft deutlich stärker belasten als die Entwicklung der Konsumnachfrage, die positiv überraschen könnte und die Rezession zumindest mildern dürfte.
Moderate Erholung ab dem Frühjahr gewinnt nur langsam an Fahrt
Mit der Abschwächung der Teuerung sollte unterstützt von der Entwicklung im Euroraum ab dem Frühjahr eine Erholung der heimischen Wirtschaft einsetzen. Das Erholungstempo wird jedoch niedrig bleiben, denn die anhaltenden geopolitischen Unsicherheiten und die nur langsam sinkende Inflation werden den Aufschwung verlangsamen.
„Nach einem Wirtschaftswachstum von fast 5 Prozent im Jahr 2022 ist aufgrund des schwachen Jahresbeginns für 2023 nur von einer Stagnation mit einem BIP-Anstieg von 0,3 Prozent auszugehen. Das Expansionstempo wird bis ins Jahr 2024 unterdurchschnittlich bleiben. Die schwache globale Erholung, die nachlassende Widerstandsfähigkeit des Arbeitsmarkts und die Änderung der Finanzierungsbedingungen insbesondere im Wohnbau bremsen. Wir erwarten für 2024 ein Wirtschaftswachstum von nur 1,2 Prozent“, meint Pudschedl. Zwei aufeinanderfolgende Jahre mit einem unter dem Trend liegenden Wachstum werden dazu beitragen, Gesamtnachfrage sowie ‑angebot nach den Schocks, die durch die Pandemie und den Konflikt in der Ukraine verursacht wurden, wieder in Einklang zu bringen.
Arbeitsmarkt krisenfest
Die Konjunkturabkühlung ab der zweiten Jahreshälfte hat zu einem leichten Anstieg der Arbeitslosenquote in Österreich geführt. Im November betrug die saisonbereinigte Arbeitslosenquote 6,4 Prozent, nach noch 6,2 Prozent über den Sommer. Ein weiterer Anstieg während der Winterrezession dürfte jedoch überschaubar ausfallen. Der Grund für den Optimismus liegt in der derzeitigen Enge am heimischen Arbeitsmarkt. Die Anzahl an offenen Stellen liegt seit dem Jahresbeginn konstant bei über 120.000. Die Stellenandrangziffer ist auf ein Rekordtief gesunken. Nur zwei Arbeitssuchende stehen im Durchschnitt einer offenen Stelle gegenüber.
Trotz der leichten Rezession über den Winter und eines nur moderaten Erholungstempos bis ins Jahr 2024 wird sich der Arbeitsmarkt in Österreich voraussichtlich sehr widerstandsfähig zeigen. Unterstützt wird die Entwicklung durch einen nachlassenden Anstieg des Arbeitskräfteangebots, den Trend zur weiterhin sinkenden Arbeitszeit und der Hortung von qualifizierten Arbeitskräften durch die Arbeitgeber, um in Zeiten des Arbeitskräftemangels eine ausreichende Personalausstattung für die kommende Erholung zu haben. „Wir erwarten nach dem Rückgang der Arbeitslosenquote 2022 auf durchschnittlich 6,4 Prozent eine Stabilisierung bei 6,4 Prozent für 2023 sowie einen leichten Rückgang auf 6,3 Prozent für 2024“, meint Pudschedl.
Inflation schwächt sich 2023 nur langsam ab
Mit einem leichten Rückgang auf 10,6 Prozent bedingt durch die Entspannung der Rohölpreise wurde der seit Beginn 2021 anhaltende Aufwärtstrend der Inflation im November erstmals unterbrochen. Im Dezember sollte die Strompreisbremse für eine weitere Eindämmung der Teuerung sorgen. Dennoch ist im Jahresdurchschnitt 2022 mit einer durchschnittlichen Inflation von 8,5 Prozent in Österreich zu rechnen. Nach weiterhin zweistelligen Inflationswerten zu Jahresbeginn sollte die anhaltende Entspannung bei den Preisen für Energierohstoffe eine anhaltende Verlangsamung der Teuerung ermöglichen. Allerdings wird sich die Inflation nur langsam abbauen. Relativ hohe Lohnabschlüsse, die fiskalischen Maßnahmen zur Stützung der Kaufkraft und Zweitrundeneffekte der gestiegenen Energiekosten werden auch im weiteren Jahresverlauf 2023 für hohe Inflationswerte sorgen.
„Erst im letzten Jahresdrittel 2023 ist eine spürbare Entspannung auf Basis eines dämpfenden Einflusses der Preise für (Energie-)Rohstoffe, nachlassender Lieferstörungen und der geringeren Nachfrage zu erwarten. Dennoch ist zum Jahresende 2023 noch mit einer Teuerung von bis zu 4 Prozent im Jahresvergleich zu rechnen. Erst in der zweiten Jahreshälfte 2024 sollte die Teuerung nur noch bei rund 2 Prozent liegen und damit in den Zielbereich der Notenbanken zurückgekehrt sein“, erwartet Pudschedl. Im Jahresdurchschnitt 2023 dürfte die Inflation in Österreich 6,5 Prozent ausmachen und 2024 bei 3 Prozent liegen.
Weitere Verschärfung der Geldpolitik bis Frühjahr 2023
Nach der raschen Verschärfung der Geldpolitik in der zweiten Jahreshälfte, die im Dezember mit einer weiteren Anhebung der Leitzinsen fortgesetzt wurde, wird die Europäische Zentralbank die Zügel der Geldpolitik im kommenden Jahr voraussichtlich noch etwas anziehen. „Wir gehen davon aus, dass der Refinanzierungssatz in der Eurozone bei 3,25 Prozent und der Einlagensatz bei 2,75 Prozent im Frühjahr 2023 ihren Höhepunkt erreichen werden. Zudem wird die EZB im kommenden Jahr die quantitative Straffung mit einer Verringerung des Wertpapierbestands aus den Ankaufprogrammen fortsetzen“, so Bruckbauer und ergänzt: „Für 2024 zeichnet sich jedoch eine Wende in der europäischen Geldpolitik ab. Aufgrund der dann niedrigeren Inflation und der schwachen Konjunktur wird die EZB auf einen Lockerungskurs umschwenken. Wir erwarten eine Senkung der Leitzinsen um rund 75 Basispunkte im Verlauf des Jahres 2024.“