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Gefangen in der Teilzeit-Falle

Bis 2023 las man, sieht man von einem kurzen „Corona-Knick” ab, regelmäßig Jubelmeldungen über den „robusten” Arbeitsmarkt. Die Zahl der Beschäftigten stieg kräftig, die der Arbeitslosen sank, und noch immer sah man ein Rekordangebot an offenen Stellen. Einige Experten warfen leise ein, dass nicht alles so rosig sei, aber sie wurden nicht gehört. Denn die geleisteten Arbeitsstunden insgesamt stagnierten. Das bedeutet im Klartext: Die vorhandene Arbeit wurde schlicht auf mehr Personen aufgeteilt. Der „Teilzeit-Boom” war und ist dafür hauptverantwortlich. Nicht vergessen darf man, dass auch die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Vollzeitkräften von 41,8 Stunden im Jahr 2008 auf mittlerweile 37 Stunden zurückgegangen ist.

Man könnte es auch so interpretieren: Würden nicht so viele Menschen in Teilzeit arbeiten, hätten wir noch eine viel höhere Arbeitslosigkeit in Österreich. Wenn jetzt aus der Politik der Ruf erschallt, dass es Maßnahmen braucht, um den Wechsel von Teilzeit auf Vollzeit zu fördern, geht das an der wirtschaftlichen Realität vorbei. Die Rezession und die sinkende Wettbewerbsfähigkeit haben ihre Spuren hinterlassen. In der Privatwirtschaft ist die Beschäftigung zwischen den ersten Quartalen 2023 und 2025 um 1,3% zurückgegangen. Gestiegen ist sie laut einer Raiffeisen-Studie hingegen im öffentlichen Dienst bzw. im staatsnahen Bereich – und zwar um 4,9% im gleichen Zeitraum. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass es in Österreich weniger Aufträge, aber dafür mehr Bürokratie gibt.

Die Wahrheit sieht so aus: Nur mit mehr Wachstum entsteht mehr Nachfrage nach Arbeit, das ist leider (noch) nicht in Sicht. Daher versteht man, warum die Regierung sich mit aller Kraft darum bemüht, die Wirtschaft anzukurbeln. Doch der seit Jahren anhaltende Trend am Arbeitsmarkt wird sich nicht wesentlich ändern: Bei einer neuen Umfrage von Xing antworteten 67 Prozent, dass sie ihre Arbeitszeit gerne reduzieren würden. 60% gaben an, nicht an Mehrarbeit interessiert zu sein und für 64% ist sie nicht notwendig. Also von wegen Vollzeit für alle. Wir stecken in der Teilzeit-Falle, die etliche Nachteile bringt.

Zunächst stellt sich jetzt die Frage, wie man einen steigenden Bedarf an Arbeitskräften decken soll, falls sie Konjunktur wirklich wieder „anspringt”? Ein Potenzial wären diejenigen, die nicht freiwillig Teilzeit arbeiten. Da gilt es, die Betreuungsmöglichkeiten für (Klein-)Kinder deutlich zu verbessern. Doch ein weiterer Hemmschuh für eine Aufstockung der Arbeitszeiten steckt in der steuerlichen Diskriminierung von Vollzeit. Jawohl, richtig gehört. Es kann wohl nicht sein, dass jemand, der seine Arbeitszeit z.B. um 50% erhöht, netto nur um 25% mehr bekommt. Seit Jahren wird an unserem Steuersystem herumgebastelt, um die „Armen”, also Niedrigverdiener, zu entlasten. Die Folge ist, dass ein Drittel (!) der Arbeitnehmer keine Lohnsteuer zahlt. Dafür ist die Steuerprogression bei mittleren Einkommen (zu) stark. Es verschoben sich die Relationen so, dass es sich für viele nicht auszahlt, mehr zu arbeiten, weil der Staat den Großteil wieder wegnimmt. Immerhin arbeiten rund 350.000 Menschen, die keine Betreuungspflichten haben, in Teilzeit.

Doch Geld für eine Lohnsteuer-Reform ist keines vorhanden. Also wird es weiter seine (steuerlichen) Vorteile haben, wenn man nicht zu viele Stunden arbeitet. Ein zusätzliches Problem wird durch die Demoskopie entstehen: Der Großteil der Babyboomer-Generation geht in den nächsten Jahren in Pension, schwächere Jahrgänge kommen nach. Der Arbeitskräftemangel, vor allem bei Fachkräften, wird sich daher dramatisch verschärfen, wenn es nicht gelingt, Zuwanderer mit entsprechenden Qualifikationen zu finden. Denn anzunehmen ist, dass es nicht gelingen wird, die aktuell fast 1,5 Millionen Teilzeit-Beschäftigten in Österreich in einem relevanten Ausmaß zu Vollzeit-Rackerern zu machen. Viele stecken in der Teilzeitfalle fest. Das bittere Erwachen kommt erst in der Pension. Denn wer weniger arbeitet, zahlt weniger ein und bekommt weniger heraus. Aber vielleicht wird das irgendwann durch die politisch begründeten Pensionserhöhungen kompensiert, da kleine Renten immer stärker erhöht werden als größere. Das Versicherungsprinzip wird so mit Füßen getreten…

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