Wie man am atypischen und historisch kurzen Verlauf der Metaller-Lohnrunde sieht, dürfte die wirtschaftliche Realität endlich auch in den Köpfen mancher Gewerkschafter angekommen sein: In kaum einem westeuropäischen Land sind die Löhne in der letzten Zeit dermaßen stark gestiegen wie in Österreich. Trotzdem steckt das Land das dritte Jahr hintereinander in der Rezession. Der private Konsum schwächelt nach wie vor. Dafür befindet sich die Sparquote auf einem Rekordhoch, obwohl die Zinsen in der Regel deutlich niedriger sind als die bei uns viel zu hohe Inflation. Die heimischen Unternehmen haben im internationalen Vergleich an Wettbewerbsfähigkeit verloren.
Das ist das Resultat einer völlig falschen Wirtschaftspolitik und einer falschen Lohnpolitik. Schuld daran haben alle: Die Regierung, die Sozialpartner und auch die Wirtschaftsforscher. Was waren bzw. sind die drei größten Fehler?
- Die Annahme, dass man den Bürgern nur mehr Geld geben muss, damit diese mehr konsumieren und so die Wirtschaft ankurbeln, erwies sich als falsch. Denn höhere Löhne bedeuten höhere Kosten für die Betriebe. Das zwingt diese zu Preiserhöhungen. Dadurch steigt die Inflation. Wenn darauf wieder mit mehr Geld reagiert wird, entsteht die berüchtigte „Lohn-Preis-Spirale”. Das kann man in Österreich derzeit beobachten. Verdächtig ist, wie sehr die Wirtschaftsforscher diese Gefahr immer klein geredet haben. Liegt das daran, dass die meisten Institute von den Sozialpartnern finanziert werden?
- Die Gewerkschaften sind stolz darauf, dass sie für möglichst viele Arbeitnehmer Lohnverhandlungen führen. Das geht immer öfter an der wirtschaftlichen Realität vorbei. Innerhalb einer Branche gibt es oft Riesenunterschiede zwischen hochprofitablen Betrieben und jenen, die ums Überleben kämpfen. Trotzdem müssen alle den KV-Abschluss übernehmen, den die Sozialpartner ausverhandelt haben. Diese mangelnde Flexibilität führt in Folge zu einem starken Anstieg der Firmenpleiten.
- Der Staat geht mit schlechtem Beispiel voran, weil er in seinem Bereich – Beamte, Pensionen, Gebühren – jahrelang Erhöhungen vornahm, die mindestens der (hohen) Inflationsrate entsprachen oder sogar darüber lagen. Dadurch legte er die Latte für die Privatwirtschaft entsprechend hoch. Erst vor kurzem kam man drauf, dass dies zu einer Explosion der Staatsschulden und des Budgetdefizits geführt hat. Das spricht nicht für die Wirtschaftskompetenz der zuständigen Minister und Regierungschefs.
Metaller-Einigung in kleinem Kreis Wochen vorher vorbereitet
Die Metaller-Lohnrunde folgte bisher gewissen Ritualen. Diese waren seit Jahrzehnten fest eingemauert und ein Symbol für versteinerte Strukturen. Allein die Tatsache, dass über 100 (!) Personen am Tisch saßen und oft bis zu acht Verhandlungsrunden gebraucht wurden, um sich auf die Zehntel-Prozente hinter dem Komma zu einigen, zeigte die Problematik, sich an die veränderte Arbeitswelt anzupassen. Diesmal begannen die Gespräche schon Wochen vorher in sehr kleinem Kreis. Und siehe da: Auf einmal schaffte man an einem Tag ein für beide Seiten zufriedenstellendes Ergebnis.
Und da wäre noch die „berühmte” Benya-Formel, die für die Gewerkschafter bisher ein Dogma war und in Wahrheit verhinderte, dass man über modernere Lohnstrukturen nachdenkt. Sie besagt, dass die Löhne immer um die Inflation (der letzten zwölf Monate) plus einem Anteil an der höheren Produktivität steigen müssen. Dass in weiten Bereichen der Industrie die Produktivität seit Jahren rückläufig ist, wurde bisher genauso ignoriert wie die Frage, wie man bei Dienstleistungen damit umgeht. Die Ur-Angst der Arbeitnehmer-Vertreter, dass knausrige Unternehmer sich auf Kosten ihrer Mitarbeiter bereichern, ist im Grunde absurd.
Denn nur wer gut verdient, kann es sich leisten, sein Personal gut zu bezahlen. Auch der Mangel an (Fach-)Personal zwingt zu höheren Löhnen. Wer sich das nicht leisten kann, wird Leute abbauen oder in Insolvenz gehen. Es würde meiner Ansicht nach völlig reichen, wenn die Sozialpartner bei den Lohnrunden einen „Rahmen” beschließen, den jeder Betrieb gemäß seiner wirtschaftlichen Lage anwenden kann. Von oben verordnete Lohnsteigerungen sind mitunter Gift für die Zukunft der Arbeitsplätze. Ein Blick auf die Arbeitslosenzahlen und die Insolvenzstatistiken zeigt, dass die Lohnverhandlungen, wie sie in Österreich heute geführt werden, kein Anreiz für eine wachsende und dynamische Wirtschaft sind. Doch wie bei allen großen Themen ist auch hier der Reformwille enden wollend.