Beginnen wir mit der schlechten Nachricht: Weibliche Arbeitnehmer haben heuer in Österreich im Durchschnitt vom 1. Jänner bis zum 21. Februar gratis gearbeitet. Wie das? Die sogenannte Gender Pay Gap klafft auch im 22. Jahr des 21. Jahrhunderts in einem der reichsten und hochentwickeltsten Länder dieser Welt weit offen. Vergleicht man das Jahresgehalt von weiblichen und männlichen Arbeitnehmern, dann verdienen Männer über alle Branchen hinweg und ganz egal, ob es sich um Arbeiterinnen/Arbeiter, Angestellte, Beamtinnen/Beamte oder Vertragsbedienstete handelt, um 14,3 Prozent mehr. Bei Frauen landet also für die gleiche Arbeitszeit um 14,3 Prozent weniger am Lohn/Gehaltskonto, und damit arbeiten sie in den ersten 52 Tagen des Jahres gratis für ihre Chefs. Oder um es noch krasser darzustellen: Arbeitnehmerinnen arbeiten jedes siebente Jahr gratis!
Das internationale Frauennetzwerk Business and Professional Women (BPW) berechnet den Equal Pay Day für Österreich seit 2009 und beobachtet dabei eine positive Entwicklung – wenn auch in homöopathischen Dosen: Heuer findet der Equal Pay Day um vier Tage früher statt als im Vorjahr und fällt auf den 21. Februar. Das ist grundsätzlich gut, weil Frauen dadurch kürzer gratis arbeiten, als noch vor einem Jahr. Aber richtig befriedigend ist die Situation natürlich nicht, wenn man sich vor Augen führt, wie langsam sich die Dinge angleichen und wie lange es voraussichtlich dauern wird, bis diesbezüglich Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern erreicht ist. Was man sich auch einmal auf der Zunge zergehen lassen muss: Österreich findet sich in Sachen Gender Pay Gap im europäischen Kontext unter den Schlusslichtern wieder.
Und was hat das Ganze mit dem Finanzsektor zu tun? Eine ganze Menge. Bricht man die Gender Pay Gap nämlich auf Angestellte herunter, geht die Gehaltsschere noch weiter auf: Um 31,4 Prozent weniger verdienen weibliche Angestellte aktuell, wobei der Gehaltsunterschied zwischen Mann und Frau in Banken und Versicherungen – wenn man sich Studien aus früheren Jahren zu Gemüte führt – wohl noch krasser ist: Rund 40 Prozent weniger verdienen dort Frauen im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen. Es gibt also eine ganze Menge zu tun. Ein erster Schritt, den jeder Einzelne machen kann, der sich diesen Kommentar bis hierher durchgelesen hat, wäre es, sich drei Minuten zu nehmen, und den erschreckenden Zahlen in all ihrer Drastik ins Auge zu blicken: https://equal-pay-day.at/epd-2021-in-oesterreich/