Auch in der Finanzbranche vergeht kein Tag, wo wir nicht auf die disruptiven Segnungen von Künstlicher Intelligenz, Roboadvisors, Internet of Things, usw. vorbereitet werden. Wer schon etwas länger im Geschäft ist, fühlt sich doch ein wenig an die Zeit vor exakt 20 Jahren erinnert. Damals stürzten im Nachgang zur rasanten Akzeptanz und Verbreitung des World Wide Web jede Menge „neuer Geschäftsmodell-Prophezeiungen“ (wir erinnern uns gerne an den Sager von der „New Economy“ – wo ist sie bloß geblieben…?) auf uns ein. Kleiner Einschub: inklusive Weltuntergangszenario (ja, wirklich!), genannt Y2K. Wir erwachten am 1. Januar 2000 – und die Erde war noch immer nicht auf eine Scheibe plattgedrückt.
Auch die Regulatorik hat für die Verantwortlichen bei Banken und Versicherungen die eine oder andere Disruption parat. Alleine das Kundenverhalten will sich nicht ganz dem Veränderungstempo anpassen. Sicher steigt die Nutzung der online-Kanäle an und der Österreicher liebste Bezahlmethode wird bald das kontaktlose Verwenden der Karte sein. Die SB-Zonen der Banken sind nach wie vor gut frequentiert und die Versicherungsabschlüsse gehen zu einem guten Teil noch immer den traditionellen Weg. Und wenn man den mantramäßigen Veröffentlichungen einiger Institutionen glaubt, dann ist das Bargeld der liebste Fetisch und am besten schreibt man das in die Verfassung (hätte man mit Pferdekutschen sicherheitshalber auch machen sollen).
Nun sieht die Realität, bei näherer Betrachtung, etwa so aus: PSDII wird einen nachhaltigen Impact auf das Finanzgewerbe haben, aber nicht über Nacht und es sieht nicht danach aus, als ob diese Deregulierung schon die Basis für (stand-alone) Geschäftsmodelle liefern wird. Vielmehr wird es den Wettbewerbsdruck eher unter den existierenden Playern noch verschärfen. Bei den Fintechs beginnt sich nun nach der ersten Gründungswelle Spreu von Weizen zu trennen. Bei dem einen oder anderen Liebling der Medien und Investoren wird man sehen, ob der (finanzielle) Atem reicht bis zum Exit und Rettung ans sichere Ufer. Und das Bargeld wird Schritt für Schritt verschwinden, denn hier findet eine „Abstimmung mit Füßen“ statt und dieser Trend ist eindeutig und unumkehrbar.
Wie heißt es so schön: wir überschätzen meist die kurzfristigen Folgen und unterschätzen die langfristigen. Gut, dass wir vor 20 Jahren nicht alles ernst genommen und befolgt haben, was Gurus und „Wissende“ prophezeit und vorgeschlagen haben. Jetzt geht es darum, den Verstand einzusetzen und die richtigen Veränderungen herbeizuführen. Mit Maß und Ziel, denn zu Tode gefürchtet, ist auch gestorben und wer die Suppe zu heiß auslöffelt, verbrennt sich höchstwahrscheinlich den Mund… .