Natürlich, die Europäische Zentralbank ist ex lege völlig unabhängig. Aber was hindert bereits aktive oder künftige Abgeordnete zum Europäischen Parlament daran, die Auswirkungen der EZB–Zinspolitik auf die Gesellschaft und ihre künftige Entwicklung zu thematisieren? Wer es mit dem Bekenntnis zu einer aktiven Mittelstandspolitik ernst meint, der müsste doch die Konsequenzen von jetzt gut einem Jahrzehnt ohne Realverzinsung just für den Mittelstand thematisieren. Das herrscht leider beängstigende Funkstille.
Auch der evidente Zusammenhang zwischen einer älter werdenden Gesellschaft dank steigender Lebenserwartung und den daraus resultierenden Problemen für Gesundheitswesen und Altersversorgung stand leider nicht zur Debatte. Lauthals wird zwar beklagt, die EU befinde sich mit rund 50 Prozent der globalen Sozialausgaben – bei nur 25 Prozent der Wirtschaftsleistung und 8 Prozent Weltbevölkerungsanteil – in einer „Komfortzone“, aber was werden die kurz- und mittelfristigen Konsequenzen für die sozialen Systeme sein?
Die Europäische Union hat etwa vor Jahresfrist angekündigt, man werde ein unionsweites Produkt für die Altersvorsorge entwickeln, das dem Vernehmen nach den Arbeitstitel „PEP“ trägt. Dieses soll über die Staatsgrenzen hinaus angeboten und in allen Mitgliedstaaten auch dann realisiert werden können. Irgendetwas von diesem Ansatz zur Problemlösung im EU – Wahlkampf gehört?
Intensiv wird das Zurückbleiben Europas in Sachen Forschung, digitalinduzierte Innovation und Schaffung von global agierenden IT – Konzernen beklagt. Dass aber der vielbeschworene Aufholprozess nicht nur der Mobilisierung aller vorhandenen Talente und Wissenschaftsbegabungen bedarf, sondern schlicht und einfach auch eine Frage der Kapitalmärkte bei der Finanzierung solch‚ lobenswertem Tuns ist, das scheint kaum jemanden zu interessieren. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf?