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Gastkommentar: Wert der Zuversicht

WIFO-Direktor Univ.-Prof. MMag. Gabriel Felbermayr, PhD wird auf der FMVÖ-Recommender-Gala 2025, die unter dem Motto „Wert der Zuversicht“ am 6. Mai in den Wiener Sofiensälen stattfindet, die Keynote halten. In seinem Gastkommentar gibt Gabriel Felbermayr vorab einen kurzen Einblick in seinen Vortrag.

Österreichs Volkswirtschaft schrumpft seit 2023. Das ist die längste Rezession der Nachkriegsgeschichte, mittlerweile – wenn man kumulierte Pro-Kopf-Zahlen betrachtet – wohl auch die tiefste. Nach dem stürmischen Wiederaufstieg nach der Coronakrise war 2023 eine Korrektur erwartbar, vor allem angesichts der hohen Inflation. Das Jahr 2024 hat aber die meiste Konjunkturforscherinnen und ‑forscher überrascht: Obwohl die preisbereinigten verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte deutlich zugelegt haben und der Arbeitsmarkt einigermaßen stabil geblieben ist, ist der Konsum geschrumpft. Auch heuer dürften vom Konsum kaum Wachstumsimpulse ausgehen.

Diese Konsumverweigerung, die auch in Deutschland die Konjunktur belastet, hat verschiedene Ursachen. Sie kann vermutlich aber nur mit Rückgriff auf psychologische Faktoren voll verstanden werden. Der Krieg in der Ukraine, das Trauma der überraschenden Inflation, die unbewältigten Auswirkungen der Flüchtlingskrise und der Coronakrise sowie die strukturelle Krise der Industrie haben eine hohe Verunsicherung hervorgebracht. Der Politik ist es trotz großzügiger finanzieller Erleichterungen nicht gelungen, die Stimmung zu drehen. Das gilt auch für die Investitionstätigkeit, die in den Jahren 2023 und 2024 geradezu eingebrochen ist. Ohne ein Mindestmaß an Optimismus ist rege Investitionstätigkeit undenkbar. Die aktuelle Budgetkrise in Österreich und der erratische Kurs der USA, immer noch die größte Volkswirtschaft der Welt, tun ihr Übriges.

Österreich und andere industriestarke Volkswirtschaften in der EU tun sich aktuell wirtschaftlich schwer. Das ist nach vielen guten Jahren verständlicherweise schmerzhaft. Dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die österreichische Bevölkerung übertrieben pessimistisch ist. Trotz der Rezession gehört Österreich immer noch zu den zehn Prozent der wirtschaftlich leistungsstärksten Länder der Welt. Weniger als fünf Prozent der Weltbevölkerung leben in Ländern mit einem höheren realen Pro-Kopf-Einkommen als Österreich. Und wenn man neben dem materiellen Wohlstand auch andere Determinanten des Wohlstands berücksichtigt, wie etwa die Umweltqualität, die ökonomische Ungleichheit oder die Prävalenz sozialer Risiken, steht Österreich im Vergleich noch besser dar.

Dieser Befund soll nicht vernebeln, dass Österreich – und die ganze Eurozone – sehr ernsthafte wirtschaftliche Probleme aufweisen. Aber die nach wie vor hohe Leistungsfähigkeit des Landes zeigt, dass wir die Kraft für fundamentale Reformen, die das Wachstum zurückbringen, durchaus haben. Wir müssen die berühmten PS nur auf die Straße bringen. Mit einer glaubwürdigen, sozial ausgewogenen Reformagenda, die breit mitgetragen wird, kehrt die Zuversicht zurück. Neben den notwendigen Sparmaßnahmen braucht es angesichts der erheblichen Herausforderungen allerdings mehr als kosmetische Schritte. Wir müssen alle gemeinsam dem Mut aufbringen, die notwendigen tiefgreifenden strukturellen Umbauten im österreichischen Wirtschaftsstandort vorzunehmen.

Konsument:innen und Unternehmer:innen müssen überzeugt werden, dass die Politik den Ernst der Lage erkannt hat und bereit ist, die erforderlichen Kompromisse für einen Reformkurs einzugehen. Wenn Österreich an der Spitze der Wohlstandsstatistik bleiben will, muss auch der Wirtschaftsstandort spitzenmäßig sein. Dazu gehört auch, dass endlich ein echter europäische Binnenmarkt für Energie, Finanzen, Digitales und Rüstungsgüter geschaffen wird. Gelingt ein großer Wurf, zum Beispiel in Form einer überzeugenden Industriestrategie, dann setzt die Rückkehr der Zuversicht eine Eigendynamik in Gang, die durch eine Belebung der Investitionstätigkeit schnell spürbare Erfolge zeitigen kann. Bleibt die Reformagenda aber in der Mittelmäßigkeit stecken, dann droht eine Spirale in die umgekehrte Richtung.

Gute Wirtschaftspolitik muss die psychologische Verfasstheit von Konsument:innen und Unternehmer:innen mitberücksichtigen. Für die Rückkehr der Zuversicht braucht es einen starken Plan. Das ist eine alte Binse; aber selten war ihre Beherzigung so dringend wie gerade jetzt.

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