Der Einsatz generativer KI könnte Österreich zu einem Wirtschaftswachstum von jährlich 0,3 Prozent bis 0,7 Prozent verhelfen und so bis 2030 zu einem zusätzlichen potenziellen BIP von bis zu 25 Milliarden Euro führen. Das zeigt die aktuelle Studie „Embracing the GenAI Opportunity“ von Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, die das Wertschöpfungspotenzial von generativer KI in 20 Industrien weltweit analysiert hat. Als generative KI werden dabei alle Formen künstlicher Intelligenz definiert, die Inhalte verschiedenster Art wie Text, Bild oder Ton analysieren und neu erstellen können. Im Gegensatz zu früheren KI-Systemen kann generative KI durch einfache sprachliche Befehle intuitiv bedient werden. Die Nutzung generativer KI kann zu einer gesteigerten Produktivität sowie neuen, optimierten Arbeitsweisen führen.
„GenAI bietet gerade in der aktuell eher zurückhaltenden Stimmung in der österreichischen und europäischen Wirtschaft eine riesige Chance: Durch potenzielle Produktivitätssteigerungen könnten Herausforderungen wie der Fachkräftemangel in einzelnen Bereichen gelöst werden. Wenn hiesige Firmen fokussiert in die Nutzung der Technologie investieren, kommt Österreich wieder ins Handeln und könnte sowohl die Wirtschaft als auch die Innovationskraft mithilfe von GenAI ankurbeln“, erklärt Dr. Philipp Wackerbeck, Partner bei Strategy& und globaler Leiter Financial Services.
Für ganz Europa beziffert die Analyse das mögliche BIP-Plus durch generative KI bis 2030 auf 470 bis 960 Milliarden Euro. Um das volle Potenzial von GenAI ausschöpfen zu können, sind innovationsfreundliche Standortfaktoren, die Bereitstellung erforderlicher finanzieller Ressourcen sowie entsprechende Regulierungen notwendig. Wie stark einzelne Volkswirtschaften tatsächlich von generativer KI profitieren, hängt wesentlich von den Rahmenbedingungen im jeweiligen Land, der Geschwindigkeit der Technologieadaption sowie dem Branchenmix ab.
Branchenvielfalt für Wirtschaftswachstum ausschlaggebend
Die Auswirkungen generativer KI unterscheiden sich zwischen einzelnen Branchen enorm. Zu den potenziell größten Gewinnern zählen alle Bereiche, in denen große Mengen Daten erhoben, analysiert und verarbeitet werden. Zu solchen „High Impact Industries“ gehören laut Studie etwa die Technologie- und Softwarebranche, Telekommunikations- und Medienunternehmen, die Pharmaindustrie oder der Finanzsektor. Bis zum Jahr 2030 könnte GenAI in diesen Sektoren Produktivitätsgewinne von 8 bis 15% ermöglichen. Deutlich geringer fallen die möglichen Effizienzschübe in Bereichen wie dem Einzelhandel, der Immobilienwirtschaft, dem Tourismus oder dem Gesundheitswesen aus. Diesen Sektoren könnte GenAI einen Aufschwung etwa beim Verkauf oder durch starke Personalisierung in der Kundenansprache verschaffen und die Produktivität um 4 bis 6 Prozent heben.
Am wenigsten profitieren voraussichtlich Sektoren wie die Landwirtschaft, der Bau oder die Chemie von generativer KI. Für diese stark von körperlicher Arbeit, industrieller Fertigung sowie hohem Materialeinsatz und Energiebedarf geprägten „Low Potentials“ prognostiziert die Studie nur indirekte Effizienzgewinne von 2,5 bis 5 Prozent. Der Blick auf den österreichischen Branchenmix zeigt dabei, dass genau dieser „Low Potential“-Sektor mit 43 Prozent etwas weniger als die Hälfte zum österreichischen BIP beiträgt, während die „High Impact Industries“ mit 15 Prozent Wertschöpfungsanteil lediglich ein knappes Sechstel ausmachen.
„Je nach Branche setzt generative KI an ganz unterschiedlichen Hebeln an. Zum Beispiel bietet der Finanzsektor ein großes Potenzial für den Einsatz generativer KI. Im Wealth Management liegt der Fokus etwa auf der exzellenten Kundenbetreuung. GenAI-Assistenten können KundenberaterInnen hier helfen, ihre Beratungsgespräche effizienter vorzubereiten und ermöglichen ein verbessertes Kundenerlebnis durch individualisierte Beratung und maßgeschneiderte Investmentvorschläge. Wir sehen immer mehr Projekte zu generativer KI mit Effizienzsteigerungspotenzialen von bis zu 20 Prozent“, so Strategy&-Experte Wackerbeck.
Aufholbedarf: Österreich zählt bei GenAI zu den Schlusslichtern
Global betrachtet hat Österreich noch Aufholbedarf bei generativer KI und zählt zu den „GenAI-Nachzüglern“ – also zu jenen Ländern mit hohen strukturellen Barrieren, die eine effektive Nutzung des GenAI-Potenzials, unter anderem durch eine starke Konzentration auf arbeitsintensive Sektoren wie die Landwirtschaft und Branchen mit niedrigem Technologieniveau, verhindern. In dieser Gruppe ist Österreich vor Portugal und Griechenland sogar Schlusslicht – weiters zählen auch Länder wie Norwegen, Polen, Spanien, Italien, China, Japan und Kanada zu den Nachzüglern.
Hingegen sind Deutschland, Frankreich und die Niederlande besser aufgestellt und zählen zu den „Potenziellen GenAI-Begünstigten“ – also zu jenen Ländern, die das Produktivitätspotenzial von GenAI zwar erkennen, aber nur dann davon profitieren können, wenn sie Standortfaktoren wie die digitale Infrastruktur verbessern. Das vielversprechendste BIP-Wachstumspotenzial durch GenAI weisen Länder der Kategorie „Unmittelbare GenAI-Begünstigte“ auf, deren derzeitige Industriestruktur gut geeignet ist, um GenAI-bedingte Produktivitätssteigerungen zu realisieren. Dazu zählen die Spitzenreiter Schweiz, Belgien, Schweden, Großbritannien und die USA.
Um den Rückstand bei GenAI aufzuholen, muss Österreich laut Studie vor allem auf Unternehmen mit großem GenAI-Potenzial setzen, etwa aus der Tech‑, Software‑, Medien oder Pharmabranche, und hier ein Wachstum anstreben. Zugleich müssen die entsprechenden Firmen generative KI so tiefgreifend wie möglich in ihre Unternehmensbereiche und Wertschöpfungsketten integrieren. Außerdem braucht es attraktive Standortfaktoren, ausreichende Finanzmittel sowie innovationsfreundliche Regulierungen, um das volle geschätzte Potenzial von 0,7 Prozent Wirtschaftswachstum pro Jahr durch GenAI hierzulande erreichen zu können.
„Um eine effektive GenAI-Transformation in Österreich voranzutreiben, müssen Unternehmen dazu ermutigt werden, Geschäftsmodelle mit einer innovativen, aufgeschlossenen Denkweise neu zu gestalten. Vor allem Unternehmen der Nachzügler-Branchen müssen eine GenAI-Strategie entwickeln und GenAI-Tools verstärkt nutzen, um den Rückstand zu den „High Potential“-Branchen aufzuholen“, sagt Dr. Matthias Schlemmer, Partner und Leiter des Bereichs Daten und KI bei Strategy& Europa. „Damit dies gelingt, kommt es auf Unternehmen, Bürger und Politik gleichermaßen an. Generative KI ist eine sehr mächtige, aber dennoch nicht die einzige Technologie mit dem Potenzial, das künftige Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Eine auf mehrere Technologien ausgerichtete Investitionsstrategie von Unternehmen und Politik ist daher erfolgsentscheidend.“
Die vollständigen Ergebnisse der Studie „Embracing the GenAI Opportunity“ erhalten Sie auf Anfrage.